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Rössleweg

Der Entschluss

Am Tag vor Silvester treffen wir uns bei Moni zum Tee. Dank Wilfrieds Ausgangssperre darf man sich nicht mehr am Abend treffen. Deshalb müssen wir schon am hellen Nachmittag Sekt trinken.

Moni hat eine original englische Teatime mit selbst gebackenen Scones und köstlichen kleinen Sandwiches vorbereitet. Da passt der Jägergrün wunderbar dazu.

Moni berichtet, dass sie sich vorgenommen hat, den Rössleweg, einen 54 km langen Rundweg um Stuttgart zu gehen. Ich entscheide spontan, dass ich dabei bin.

Erste Etappe – 6. Januar

Aus Zeitgründen starten wir mit einer kurzen Etappe – von der Geroksruhe zur Waldau. Das sind nur 2,9 km, aber ich habe am Nachmittag meinen Canasta-„Abend“und muss deswegen vor 15 Uhr zuhause sein.

Ich parke mein Auto am Fernsehturm, dessn Spitze man vor lauter Nebel nicht sieht und mache mich zu Fuß auf zur Haltestelle Geroksruhe, wo wir uns treffen wollen.

Unterwegs setzt es mich auf einem glitschigen Fahrradtrail auf den Popo. Der Impact ist sehr weich, doch muss ich später meine gute Winterhose zweimal waschen und dazu noch mit der Bürste bearbeiten. Trotzdem komme ich pünktlich am Treffpunkt an.

Wir starten bergan. Die Rössleweg-Schilder sind spärlich gesät, doch hat ein wohlmeinender Wandersmann die Route zusätzlich durch weiße Pfeile an Bäumen oder auf dem Boden markiert, so daß wir den Weg trotzdem finden.

Am Santiago-de-Chile-Platz hat man eine wunderbare Aussicht über die ganze Stadt, wenn das Wetter mitmacht. Heute nicht.

Zweite Etappe – 9. Januar

Waldau – Waldeck (Kaltental) – 4,7 km

Auf einem glitschigen Waldweg geht es nun bergab durch ein Tal, das zu sehen man im Urlaub viel Geld bezahlen würde. Unterwegs passieren wir eine Gruppe Rentner, die mit mitgebrachtem Glühwein aus der Thermosflasche viel illegalen (Corona) Spaß haben.

Bald schon erreichen wir Kaltental. Die Etappe war kurz und wir haben noch Lust weiterzugehen, deshalb machen wir uns zu Fuß auf den Rückweg nach Möhringen.

Fakten zum Rössleweg

Dritte Etappe – 17. Januar

Waldeck – Birkenkopf – Kräherwald – 7,5 km

Wir starten am Endpunkt unserer letzten Etappe in Kaltental und gehen durch den verschneiten Wald zunächst bergauf…

… bis wir auf dem Birkenkopf, auch Monte Scherbelino genannt, ankommen. Als Kinder waren wir hier oft, aber seitdem nicht mehr. Mir kommt alles kleiner vor als damals. Doch es ist immer noch beeindruckend die vielen Trümmer einer zerstörten Stadt, die hier aufgehäuft wurden, zu sehen.

Es ist ordentlich was los hier oben. Die Leute gehen raus und an die frische Luft – viel mehr kann man ja zur Zeit nicht machen.

Vom Birkenkopf wandern wir weiter durch den verschneiten Wald bis zum Kräherwald. Dort nehmen wir den Bus zurück in die Stadt und die Bahn nach Möhringen. Zum Abschluss gibt es bei Moni Tee und Kuchen.

Der Rössleweg in Zeiten von Corona

Der aufmerksame Leser wird festgestellt haben, dass auch unsere längeren Etappen nicht wirklich lang sind. Das liegt nicht etwa an mangelnder Kondition oder gar Faulheit. Nein, die Gründe hierfür sind rein praktischer und organisatorischer Natur.

Da es derzeit noch recht früh dunkel wird, fällt es nicht schwer vor Beginn des Hausarrests zuhause zu sein.

Dass das Corona-Regime aber auch jede Einkehr- und damit Austrittsmöglichkeit geschlossen hat, stellt uns vor gewisse Herausforderungen. Zwar soll man ja bei der Ausübung von körperlicher Ertüchtigung tüchtig trinken. Doch wohin dann mit der Flüssigkeit

Also planen wir unsere Etappen so, dass wir – inclusive An- und Abreise zum Start- und Zielort davon ausgehen können, dass wir keine Toilette benötigen. Denn wer will sich schon im eiskalten Wald in der Gesellschaft zahlreicher Mitwanderer hinter einen Baum setzen?

Derweil trinken wir unterwegs so wenig, dass wir gleich nach unserer Heimkehr ganz viel Wasser nachschütten müssen.

Vierte Etappe – 23. Januar

Kräherwald über Doggenburg zum Schützenhaus Weilimdorf – 7,3 km

Wir fahren mit dem Auto zum Kräherwald und starten dort unsere nächste Etappe. Wieder geht es durch den Wald. Ich hab jetzt keine Lust mehr auf Wald. Ich möchte mal was anderes sehen als nur Bäume. Zwischendurch ist selbst Moni genervt, da einmal mehr lange, lange Zeit kein Rössle und auch kein weißer Pfeil zu sehen sind und wir Google Maps befragen müssen.

Zum Glück geht es dann eine Zeitlang durch Weinberge und wir können ganz in der Ferne sogar die „Heimat“, also den Fernsehturm sehen.

Die Etappe beschliessen wir allerdings wieder im Wald. Da es den ganzen Januar geregnet oder geschneit hat, sind die Wege sehr matschig und dreckig und man geht stellenweise wir auf Eiern, um nicht auszurutschen. So sind wir froh als wir Weilimdorf erreichen und unsere Schuhe in einer Pfütze notdürftig waschen können.

Bald finden wir ein Car2Go und fahren damit zurück zum Auto.

Fünfte Etappe – 20. Februar

Max-Eyth-See bis Alte Kelter Fellbach – 8,1 km

Die eigentlich fällige Etappe von Weilimdorf zum Max-Eyth-See lassen wir zunächst aus, denn die Waldböden sind sicher immer noch weich und schlammig. Diese Etappe holen wir zu einem späteren Zeitpunkt nach.

Deshalb geht es heute vom Max-Eyth-See über Bad Cannstatt nach Fellbach.

Wir starten dieses Mal bei mir und fahren mit U7 und U14 zum Startpunkt am Max-Eyth-See. Aufgrund des traumhaft schönen und warmen Wetters ist dort die Hölle los und wir machen uns eilig auf, die unmittelbare Umgebung des Sees zu verlassen. Wieder einmal bewundern wir wie viel Grün unsere Stadt mitten in der Stadt zu bieten hat.

Auch hier hat man an der Beschilderung für den Rössleweg gespart und so verpassen wir die erste Abzweigung und traben ungefähr einen Kilometer auf der Fußgänger-, Radfahrer- und Jogger-Autobahn entlang. Dann schlagen wir uns nach links in die Weinberge und nach einem kurzen Anstieg geht es oberhalb des Trubels am Neckar gemütlich auf einem Höhenweg weiter mit herrlichen Ausblicken auf die Stadt.

Über Bad Cannstatt, vorbei an schönen und nicht so schönen Wohngebieten spazieren wir weiter Richtung Fellbach.

Unser Ziel ist die Alte Kelter. Dort gibt es eine Bushaltestelle und da wir kein Wägele (Car2Go) in der Nähe finden, nehmen wir den Bus.

Die Ticket-App der SSB ist nicht gerade benutzerfreundlich. Deshalb gelingt es mir erst in letzter Sekunde mein Ticket zu lösen. Aber immerhin, denn an der nächsten Haltestelle steigen zwei Kontrolleure zu und ich trage zur Erheiterung einiger Fahrgäste bei, weil es mir nicht gleich gelingen will, mein gelöstes Ticket in der App wiederzufinden.

Schliesslich klappt es und wir fahren ohne Erniedrigung durch die Kontrolleure und ohne Strafzahlung bis zum ersten Umsteigepunkt in Untertürkheim. In Obertürkheim müssen wir nochmal den Bus wechseln. Die kurze Wartezeit nutzen wir für eine Stippvisite im Supermarkt, um ein paar Kekse zum Nachmittagstee zu erstehen. Die Berliner, die Moni für uns gekauft hat, liegen nämlich auf ihrem Küchentisch.

In Riedenberg angekommen dämmert es bereits und beim Tee planen wir die nächste Etappe.

Sechste Etappe – 27. Februar

Alte Kelter Fellbach zum Hedelfinger Platz – 6,8 km

Wieder haben wir herrliches Wetter, nur etwas kühler als in der Vorwoche. In Riedenberg geht es los. Wir schnappen uns ein Car2Go und kommen zügig in Luginsland an.

Der Weg geht die meiste Zeit durch Weinberge, immer auf uns ab, mit wunderbarem Ausblick auf die Grabkapelle Rotenberg und viele, viele, jetzt kahle Rebstöcke. Wir nehmen uns vor, hier einmal entlang zu wandern wenn die Besen wieder geöffnet haben und man sich unterwegs mit dem einen oder anderen Viertele stärken kann.

Diese Strecke hat mir bisher von allen am besten gefallen. Ziemlich schnell kommen wir schon in Obertürkheim an und müssen zum Schluss noch über die Otto-Hirsch-Brücken zur Bushaltestelle am Hedelfinger Platz. Als wir den Neckar überqueren, sehen wir nur riesige Industriegebiete und Hafenanlagen. So schön Stuttgart auch ist, aus der Lage am Fluss hat man leider überhaupt nichts gemacht.

Der Bus 65 bringt uns nach Riedenberg. Heute trinken wir bei und mit Carmen Tee.

Siebte Etappe 7. März

Hedelfinger Platz bis Geroksruhe – 5,8 km

Wieder starten wir in Riedenberg. Es ist wieder wunderbar sonnig, aber klapperkalt und windig. Wir fahren mit dem 65-er nach Hedelfingen.

Diese Etappe ist kurz und die meiste Zeit geht es steil bergauf. Dafür werden wir mit herrlichen Ausblicken belohnt.

Zwischendurch wundern wir uns über drei hohe Gebäude in der Ferne zu unserer Linken. Ich denke es ist der Asemwald, Moni bezweifelt das. Aus neuer Perspektive von weiter oben kommen wir dann doch zum Schluß, dass es der Asemwald sein muss. So viele hohe Gebäude in Dreier-Gruppierung gibt es in Stuttgart schließlich nicht.

Je höher wir kommen, um so mehr Menschen sind unterwegs. Ab der Friedrichsruhe ist es dann richtig voll. Das ist zu Corona-Zeiten ja nichts ungewöhnliches wenn man nichts anderes machen darf als spazieren gehen.

Das letzte Stück führt wieder durch den Wald und mit der Haltestelle Geroksruhe haben wir bereits unseren Startpunkt vom 6. Januar erreicht.

Nun haben wir noch eine 11-km-Lücke im Stuttgarter Norden, genauer gesagt von Weilimdorf bis zum Max-Eyth-See. Wir haben noch nicht entschieden wann wir die Lücke schliessen (Toilette).

Meine Lieblingsetappen sind ganz klar die im Stuttgarter Osten mit Ausblicken auf den Neckar und aus der Höhe über unsere ganze schöne Stadt!

Veröffentlicht in Deutschland